Wie die digitale Transformation die Arbeitswelt verändert
von Carsten Feldmann und Wieland Appelfeller
Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Und alles, was vernetzt werden kann, wird auch vernetzt. Das betrifft Menschen, Maschinen und Produkte gleichermaßen.“ Dieses Zitat von T. Höttges, Vorstand Deutsche Telekom, beschreibt treffend die digitale Transformation. Die Arbeitswelt wird sukzessive in eine digitale Ebene überführt: Die analoge, lokale Offline-Welt wandelt sich zur digital vernetzten „Always-on“-Welt.
New Work bezeichnet ursprünglich ein Konzept des Sozialphilosophen
Frithjof Bergmann für eine Arbeit, die den Menschen und seinen Wunsch
nach Erfüllung und Sinnhaftigkeit in den Mittelpunkt stellt. Aktuell ist
es ein Synonym für den Wandel der Arbeit: Digitale Technologien und
Geschäftsmodelle ändern Arbeitsplätze und -inhalte. Digitale
Arbeitsformen führen u. a. zum Aufweichen von Hierarchien („Holacracy“),
agile und iterative Arbeitsmethoden lösen lineares, plangetriebenes
Vorgehen ab, Kunden werden in die Produktentwicklung integriert
(Co-Creation). Statt eines festen Büros mieten z. B. Start-ups flexible
Arbeitsplätze in einem offen gestalteten Büro und nutzen die Vorteile
des zusammen Arbeitens (Co-Working).

Veränderung von Arbeitsplätzen
Zu quantitativen Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt gibt es widersprüchliche Prognosen, die auf verschiedene methodische Ansätze sowie differierende Annahmen zurückzuführen sind. Das Substitutionsrisiko bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, dass die Aktivitäten eines Mitarbeiters durch Digitalisierung wie z. B. IT-Systeme oder Robotik übernommen werden. Arbeitsplätze mit hohem Substituierbarkeitsrisiko werden entfallen, Arbeitsplätze mit niedrigem Substituierbarkeitsrisiko sich verändern, neue Berufsbilder und Arbeitsplätze werden entstehen.(1)
Zu quantitativen Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt gibt es widersprüchliche Prognosen, die auf verschiedene methodische Ansätze sowie differierende Annahmen zurückzuführen sind.
Ein eher niedriges Substitutionsrisiko weisen kreative, soziale (empathische) und wissenschaftliche Berufe sowie Professionen mit sensomotorischen Fähigkeiten wie z. B. Physiotherapeut und Arzt auf. Demgegenüber haben Arbeitsplätze mit standardisierten (Routine-)Aktivitäten mit niedriger Komplexität und geringen Qualifikationsanforderungen ein hohes Substituierbarkeitsrisiko. Beispiel: Hilfsarbeiter in der Kommissionierung, aber auch geistige Routinetätigkeiten wie z. B. Rechnungsprüfung lassen sich in vielen Fällen komplett automatisieren. Beispiele für mittel- bis langfristig bedrohte Berufsbilder sind Lkw-Fahrer, Postbote oder Kassierer im Supermarkt. Hier wird menschliche Arbeit durch autonomes Fahren, Drohnen und Self-Services substituiert.
Dieser Wegfall kann jedoch ggf. durch neu entstehende Stellen
kompensiert werden, z. B. durch Arbeitsplätze im Kontext digitalisierter
Maschinen und Roboter, die programmiert und bedient werden müssen.
Außerdem steigt der Bedarf an Datenanalysten und Softwareentwicklern.
Literaturverzeichnis
- Acatech, Deutsche Akademie der Technikwissenschaften: Kompetenzentwicklungsstudie Industrie 4.0, München 2016.
- Appelfeller, W.; Feldmann, C. (2018): Die digitale Transformation des Unternehmens – Systematischer Leitfaden mit zehn Elementen zur Strukturierung und Reifegradmessung, Berlin 2018.
- BMWi (2016): Digitale Bildung – Themenheft Mittelstand Digital, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie 2016.
- Bonin, H; Gregory, T.; Zierahn, U. (2015): Übertragung der Studie von Frey/Osborne auf Deutschland, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Mannheim 2015.
- Hirsch-Kreinsen, H. (2017): „Arbeiten in der digitialen Welt“, Vortrag der Technischen Universität Dortmund im Mai 2017.
Nicht nur bei der Arbeitsplatzanzahl gibt es optimistische und
pessimistische Sichtweisen, sondern auch bei weiteren Chancen und
Risiken.(2) Einerseits fördert orts- und zeitunabhängiges Arbeiten mit
digitalen Werkzeugen Autonomie und Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Andererseits kann Work-Life-Blending zum Verlust des Privatlebens
führen, wenn die Grenze zum Berufsleben verschwimmt. Automatisierung von
3-D-Tätigkeiten (dirty, dangerous, demanding) erscheint wünschenswert,
wenn sie mit Aufwertung der verbleibenden Arbeitsinhalte einhergeht.
Allerdings kann Digitalisierung Autonomie reduzieren, wenn z. B.
Datenbrillen beim Kommissionieren die Arbeitsschritte nicht nur
vorgeben, sondern diese zur Kontrolle detailliert nachvollziehbar
machen.
Stufen der Digitalisierung von Mitarbeitern
Was bedeutet die „Digitalisierung“ von Mitarbeitern? Dies bedeutet
nicht zwangsläufig, dass der Mensch durch einen Roboter oder Avatar
ersetzt wird. Vielmehr werden Mitarbeiter mit digitalen Kompetenzen bzw.
Endgeräten wie z. B. Smart Glasses ausgestattet.
Auf welche Weise lässt sich messen, welchen Status ein Unternehmen
beim Thema digitale Transformation bereits erreicht hat, und wie lässt
sich festgelegen, wie es sich in Zukunft weiterentwickeln soll? Das
Modell „Das digitale Unternehmen“ in Abb. 1 von Appelfeller/Feldmann(3)
nutzt hierzu Reifegradmodelle (vgl. Abb. 2). Für zehn Elemente wie z. B.
Prozesse oder Geschäftsmodell werden Bewertungsraster vorgestellt, die
die Reifegradstufen von eins (analog) bis vier (volle Digitalisierung)
abbilden. Dem Ist-Status wird bei der Zielformulierung für ein Element
das Soll-Profil gegenübergestellt, um so Roadmaps für die
Weiterentwicklung pro Element zu entwickeln.
Für das Element Mitarbeiter ergeben sich aus der detaillierten Reifegradmessung die Stufen analoger Mitarbeiter ( 1 ), teildigitalisierter Mitarbeiter ( 2 ), vernetzter, voll digitalisierter Mitarbeiter ( 3 ) und vernetzter Roboter ( 4 ). Abb. 2 stellt dies für Mitarbeiter mit vorwiegend geistiger Tätigkeit vor.

Als analoger Mitarbeiter wird jemand bezeichnet, der
ohne IT z. B. papierbasierte Belege abarbeitet, i. d. R. zu festen
Arbeitszeiten im selben Büro. Beispiel: Mitarbeiter, der die
Eingangspost öffnet, stempelt und verteilt. Der teildigitalisierte
Mitarbeiter arbeitet ebenfalls überwiegend zu festen Arbeitszeiten im
festen Büro. Er nutzt aber für einen Teil der Arbeitsschritte
IT-Systeme.
Beispiel: HR-Mitarbeiter, der
eingehende Bewerbungen im IT-System erfasst, Kopien weiterleitet und mit
Bewerbern per E-Mail kommuniziert.
Dieser Typus wird zunehmend durch den vernetzten, voll digitalisierten, mobilen Mitarbeiter
verdrängt. Er hat weniger fest vorgegebene Strukturen, arbeitet zu
flexiblen Zeiten im Unternehmen, zu Hause oder unterwegs. Er nutzt im
Großraumbüro den Arbeitsplatz, der gerade frei ist. Über mobile
Endgeräte wie Smartphone, Smartwatch und Tablet-PC ist er mit den
IT-Systemen, anderen Mitarbeitern und externen Partnern vernetzt und
permanent erreichbar.
Beispiel: Überwiegend in
standortübergreifenden Projekten tätiger Mitarbeiter. Auf Stufe 4 steht
der vernetzte Roboter. Er übernimmt z. B. dort Tätigkeiten, wo der Kunde
mit Mitarbeitern spricht und diese nach vordefinierten Logiken handeln.
Beispiel: Empfang von Gästen an der Hotelrezeption.
Fazit und Ausblick
Die digitale Transformation lässt sich nicht aufhalten. Daher sollten
Unternehmen sie gezielt gestalten. Dabei gilt nicht: Je digitaler,
desto besser. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zum
Zweck, um die Strategie des Unternehmens umzusetzen. Hierzu bedarf es
des Aufbaus der Kompetenzen der Mitarbeiter wie z. B. Prozess- und
IT-Know-how, Datenauswertung und -analyse, interdisziplinäres Denken und
Handeln, insbesondere bei Innovationen. (6)
Wie „digital“ müssen Mitarbeiter werden? So digital, dass das
Unternehmen konkurrenzfähig bleibt. Dabei ist zum einen die Perspektive
des konkurrenzfähigen Unternehmens einzunehmen. Für dieses ist zu
klären, welche Aktivitäten sich durch IT effizienter durchführen lassen
und welche Kompetenzen und Endgeräte die Mitarbeiter benötigen. Zum
anderen stellen sich aus der Sicht des konkurrenzfähigen Arbeitgebers im
Rahmen des „War for Talents“ verschiedene Fragen. Wo, wann und wie
möchten Mitarbeiter ihre Arbeitsleistung erbringen? Der oben
beschriebene vernetzte, mobile und voll digitalisierte Mitarbeiter lässt
erkennen, was Mitarbeiter zunehmend fordern könnten.
Die Angst, dass menschliche Arbeit maschinell ersetzt werden könnte, gab es bereits bei der ersten industriellen Revolution. Ein „Ende der Arbeit“ wird es auch diesmal voraussichtlich nicht geben. Eine zentrale Aufgabe für die Unternehmen und ihre Mitarbeiter besteht darin, die Arbeitsplätze rechtzeitig umzugestalten und Qualifikationen anzupassen. //
Quellen
(1) Vgl. Bonin 2015.
(2) Vgl. Hirsch-Krainsen (2017).
(3) Vgl. Appelfeller/Feldmann (2018).
(4) Vgl. Appelfeller/Feldmann (2018).
(5) Vgl. Appelfeller/Feldmann (2018).
(6) Vgl. Acatech (2016); BMWi (2016).
Kontakt zu den Autoren

Prof. Dr. Wieland Appelfeller

Prof. Dr. Carsten Feldmann
Textlizenz: Dieser Text ist auch im Handbuch Digitalisierung erschienen.
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von Gerd Altmann auf Pixabay