Senkung der Gewährleistungskosten in der Automobilindustrie durch den Einsatz von Blockchain-Technologie – ein Anwendungsfall
von Christian Pils

Weltweit fallen jährlich 46 Milliarden USD (1) an Gewährleistungskosten im Automotive Sektor an. Bis zu zwei Drittel der gesamten Prozesskosten sind auf die manuelle Erfassung und Verwaltung garantiebezogener Prozessdaten zurückzuführen, z. B. die Erfassung und Verwaltung von Produktdaten. Das entspricht einer Summe von 30,7 Mrd. USD jährlich. Grund genug, sich der Problemstellung zu widmen und nach Optimierungspotenzialen Ausschau zu halten.
Problemstellung
Reklamationen entstehen, wenn Bauteile noch während ihres eigentlichen Produktlebenszyklus ausfallen und so Reparaturkosten aufseiten der OEMs verursachen. Um die Ursachen für Ausfälle zu untersuchen, werden zunächst alle Ausfälle statisch untersucht und einzelne Bauteile einer praktischen Fehleranalyse unterzogen. Je nach Umfang der Reklamation und der Bauteilkomplexität müssen die Hersteller, zusätzlich zur optischen oder technischen Funktionsprüfung, Datensätze aus verschiedenen Quellen sammeln und zusammenstellen. Dazu zählen z. B.:
- End-of-Line-Testdaten der fehlerhaften Bauteile aus den Zulieferwerken
- MES-Daten aus dem eigenen Montagewerk
- Qualitätsdokumente von Entwicklungszentren auf globaler Ebene
- Qualitätsvereinbarungen der eigenen Einkaufsabteilung
Diese Datensätze werden meist durch persönlichen Kontakt und einfachste Kommunikationsmittel, wie Telefon und E-Mail, in manueller Recherche zusammengestellt, verarbeitet und an den jeweiligen Anfrager zurückgesendet. Die dadurch entstehenden Kosten sind auf Zeit- und Ressourcenverschwendung zurückzuführen und verursachen entsprechend lange Wartezeiten.
Diese Aufwendungen entstehen für OEM und Zulieferer gleichermaßen. Insbesondere die Zulieferer sehen sich häufigen Anfragen ihrer unterschiedlichen OEM-Kunden gegenüber, diese versuchen, Gewährleistungsansprüche durch den permanent ansteigenden Kostendruck abzuwehren.
Lösung
Um den Verwaltungsaufwand auf allen Seiten zu reduzieren, ist ein automatisierter Datenaustausch extrem hilfreich und effizienzsteigernd. Allerdings erlauben Zulieferer aus Angst vor dem Verlust von Daten bzw. vor dem Verlust der Datenhoheit und damit der Preisgabe eigener Kernkompetenz keine direkte Verbindung zu internen Produktionsdatenbanken, wie auch OEMs keinen Zugriff auf ihre Garantiedatenbanken geben wollen.
„Anfragen erfolgen nicht mehr an den Datenlieferanten, sondern an den Smart Contract. Der Smart Contract überprüft dabei, ob alle hinterlegten Businessregeln eingehalten werden, und akzeptiert oder verwirft die Anfrage entsprechend.“
Christian Pils
Der von Arxum realisierte Ansatz bietet mittels der Arxum Suite eine Lösung für dieses Dilemma. So wird der (Daten-)Austausch auf Basis einer privaten Blockchain-Infrastruktur realisiert. Dabei werden allerdings keinerlei Daten, wie Produktionsdaten oder sonstige transferierte Daten, auf der Blockchain selbst abgelegt.
Die Arxum Suite reguliert den vollautomatischen Datenabruf zu den vom Dateneigner festgelegten Bedingungen mittels Smart Contracts, direkt aus der IT des Zulieferers. Smart Contracts sind auf der Blockchain gespeicherte und ausgeführte Skripte, in welchen die Businessregeln festgelegt werden (z. B. WER darf WELCHE Datensätze und WIE VIELE abrufen?). Die Blockchain stellt dabei sicher, dass nur der Dateneigentümer mit seinem passenden (kryptografischen) Schlüssel Änderungen an dem Smart Contract vornehmen kann.
(Datei-)Anfragen erfolgen nicht mehr an den Datenlieferanten, sondern an den Smart Contract. Der Smart Contract überprüft dabei, ob alle hinterlegten Businessregeln eingehalten werden, und akzeptiert oder verwirft die Anfrage entsprechend
Vorteil
Es ist kein ausgedehntes Konsortium von Anwendern notwendig, um sofortige Einsparungen zu erzeugen. Stellt ein Zulieferer seinen (OEM-/Tier-1-)Kunden – z. B. über eine Webseite – einen Zugang zum Smart Contract zur Verfügung, können Kunden über diesen, im Rahmen der festgelegten Businessregeln, selbstständig Daten abfragen. Die damit zusammenhängenden manuellen Tätigkeiten entfallen beim Zulieferer sofort.
Aufseiten des Kunden werden die Daten sofort verfügbar und der Vorlauf zur Bauteil-Fehleranalyse wird von mehreren Tagen auf wenige Minuten gesenkt. Der Abruf erfolgt auf Knopfdruck und die Daten werden automatisch dem Anfragenden zur Verfügung gestellt. Die Übertragung der Daten wird unverfälschbar als Ereignis auf der Blockchain dokumentiert und auditierfähig im späteren Verlauf der Reklamation zur Verfügung gestellt. Durch die Verkürzung des gesamten Reklamationsprozesses kann nach der technischen Analyse der kaufmännische Prozess gestartet werden und Rückforderungen wesentlich schneller abgewickelt werden.
„Durch die Verkürzung des gesamten Reklamationsprozesses kann nach der technischen Analyse der kaufmännische Prozess gestartet werden und Rückforderungen wesentlich schneller abgewickelt werden.“
Doch die Effizienzsteigerung macht an dieser Stelle keinen Halt. Die Integration weiterer Partner, sei es intern oder extern, wird zum Kinderspiel. So bedarf es keiner speziellen Schnittstelle, welche mit den Partnern abgestimmt oder standardisiert sein muss, um (neue) Datenbanken an die Blockchain anzubinden. Anwenderseitig stellt die Arxum Suite die nötige Kommunikation sicher und bedient sich cybersicherer Verbindungen zum Blockchain-Knoten.
Weitere Vorteile
- Echtzeit-Zugriff auf relevante interne und externe Daten – in Minutenschnelle
- Erhöhung der Effizienz jeder Reklamationsbearbeitung sowohl beim Zulieferer als auch beim OEM auf technischer sowie kaufmännischer Ebene
- OEMs erhalten über den Mechanismus selbst Zugriff auf Daten von Tier-2- oder Tier-3-Lieferanten
- Radikale Reduzierung des manuellen Aufwands für die Beantwortung von Kundenanfragen und Datenbereitstellung
- Alle Regeln des Datenzugriffs werden vom Dateneigentümer bestimmt
- Unveränderliche Aufzeichnungen aller Datenübertragungen
Diese Lösung ist heute bereits einsatzbereit und implementiert eine zukunftsorientierte Digitalisierung über die Firmengrenzen hinweg.
Kernaussagen
- Die digitale Vernetzung von OEMs und Zulieferern reduziert die Zeit- und Ressourcenverschwendung innerhalb des Gewährleistungsmanagements.
- Gewährleistungsfälle können schneller, kostengünstiger und effizienter für alle Beteiligten abgewickelt werden.
- Digitaler Datenaustausch ist in Echtzeit möglich, ohne dass externe Partner an die eigene (Datei-)Infrastruktur angeschlossen werden. Alle Regeln des Datenzugriffs werden dabei vom Dateneigentümer bestimmt.
Ausblick
Die Blockchain-Technologie bietet noch weitere Anwendungsmöglichkeiten. So bietet sie neben dem automatischen Datenaustausch optimale Voraussetzungen für die Rückverfolgbarkeit innerhalb von Lieferketten. Gerade in der komplexen Automobilindustrie werden Einzelbauteile von verschiedenen Akteuren geliefert und bilden ein fertiges Bauteil, das zum OEM geliefert wird. Es wird von Tier-1, Tier-2,… usw. Lieferanten gesprochen.
Wird nun beim OEM ein Bauteil als potenzielles Reklamationsteil identifiziert, ist es fast unmöglich, exakt zu bestimmen, in welchen Fahrzeugen diese Subkomponenten, beispielsweise eines Tier-2-Lieferanten, verbaut worden sind. Der daraus resultierende Rückruf bezieht sich daher auf einen groben Bauzeitraum, der wesentlich mehr Fahrzeuge in die Werkstätten bestellt, als eigentlich nötig.
Mittels einer Blockchain-basierten Lieferkette ist es nun möglich, dass alle Lieferanten ihre Daten zu den gelieferten Subkomponenten bereitstellen, was zu einer schnelleren Kommunikation und gesteigerten Lieferkettentransparenz führt. Qualitätsprobleme werden so wesentlich schneller erkannt und vor allem stärker eingegrenzt, die Rückstellungskosten für Rückrufe werden auf ein Minimum reduziert und es bedarf keiner überbordenden Plattform, um weitere Partner in die Kette einzubeziehen. //
Kontaktieren Sie den Autor
Quelle: https://www.warrantyweek.com/archive/ww20190822.html
Aufmacherbild / Quelle / Lizenz
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
One thought on “Reklamationen automatisieren”
Comments are closed.